Mitglieder-Login

Mitglieder-Login

Bitte warten, Berechtigungsprüfung ...
×

VKHD-Interview mit der Linken-Politikerin Sylvia Gabelmann

Sylvia Gabelmann  im Interview mit Stefan Reis Sylvia Gabelmann im Interview mit Stefan Reis © DIE LINKE im Bundestag
Der VKHD will von Politiker*innen wissen, wie sie zur Homöopathie und zum Heilpraktikerberuf stehen. Für diesen Newsletter befragte VKHD-Vorstand Stefan Reis die Politikerin Sylvia Gabelmann von „DIE LINKE“. Sylvia Gabelmann ist Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags.

Sylvia Gabelmann absolvierte zunächst eine Lehre als Apothekenhelferin, dann folgte ein Studium der Pharmazie, 1986 Approbation als Apothekerin, seit Beginn der Lehre bis 2002 war sie in öffentlichen und Krankenhausapotheken im In- und Ausland tätig.

Lesen Sie das VKHD-Interview mit Sylvia Gabelmann, MDB (DIE LINKE) im Folgenden. Das telefonische Interview für den VKHD führte Stefan Reis am 14. Mai 2019.

[Stefan Reis, VKHD:] Beginnen wir mit der Homöopathie und einer persönlichen Frage: Was halten Sie selbst von der Homöopathie? Würden Sie sagen, dass es sich bei der Homöopathie um eine wirksame Therapiemethode handelt, oder halten Sie Homöopathie eher für Humbug?

[Sylvia Gabelmann:] In meinem Berufsleben als Apothekerin habe ich natürlich viel mit Homöopathie zu tun gehabt – zum Teil haben Menschen nachgefragt, aber ich habe auch aktiv beraten, soweit das in der Apotheke ohne große Anamnese möglich ist. In bestimmten Fällen, wenn es beispielsweise um die Indikationen für Arnica-Globuli bei Kindern ging, konnte ich das in gewissem Rahmen selbst empfehlen und habe in der Regel auch wirklich gute Rückmeldungen bekommen. Ich habe viele Menschen kennen gelernt, die häufig erst einmal zur Homöopathie gegriffen haben, um die Möglichkeit zu haben, ohne Nebenwirkungen und basierend auf dem Grundgedanken der Selbstheilungskräfte des Körpers Erkrankungen oder Missstimmungen oder Verletzungen zu behandeln. Insofern weiß ich, dass Homöopathie eben kein Humbug ist, sondern eine Therapieform, die ihre Berechtigung hat. Das gilt natürlich in einem bestimmten Rahmen, der aber bei jeder medikamentösen Behandlung oder überhaupt jeder Therapie verantwortungsvoll eingehalten werden muss. Da gibt es keinen Unterschied: Ich muss die Grenzen einer homöopathischen Behandlung ebenso erkennen, wie die Grenzen für eine Verordnung von Antibiotika.

[Stefan Reis, VKHD:] Dann haben Sie die Homöopathie ja als „Erfahrungsmedizin“ kennen gelernt – Sie haben darüber informiert, Sie haben dazu geraten und dann die Rückmeldungen bekommen, dass es geholfen hat.

[Sylvia Gabelmann:] Genau. Deswegen stelle ich auch den gängigen Evidenzbegriff oder dessen Definition, die sich allgemein auf ein klassisches Studiendesign beschränkt, in Frage und versuche, einen Evidenzbegriff stärker ins Gespräch zu bringen, der eben auch die Erfahrung von Patient*innen und Behandelnden einbezieht.

[Stefan Reis, VKHD:] Sie haben sich sicher auch mit der Studienlage zur Homöopathie beschäftigt.

[Sylvia Gabelmann:] Das ist ein Punkt, der immer wieder angeführt wird von den Kritiker*innen. Die Studienlage in Deutschland ist hier mit Sicherheit zu mager. Wenn man aber auf internationale Quellen zurückgreift, sieht das anders aus. Angesichts der Studienlage wäre es nötig, weitere Forschung zu betreiben, die aber öffentlich gefördert werden müsste, weil die kleinen Hersteller homöopathischer Arzneien das finanziell kaum leisten können. Unsere Forderung ist ohnehin die nach unabhängiger Forschung auf allen Ebenen und bei der Homöopathie ist das genauso wichtig.
Es ist ja mehr ein Glaubenskrieg, der da stattfindet um die Homöopathie. Was mich immer wieder wirklich verärgert ist, dass wenig mit Fakten argumentiert wird, sondern die Diskussion tatsächlich – ob jetzt in den sozialen Medien ist der auch in persönlichen Gesprächen – sehr schnell in eine Glaubensdiskussion abdriftet. Das halte ich für falsch und das verhindert ja auch eine wirkliche Klärung.

[Stefan Reis, VKHD:] Dabei wird der Vorwurf des "daran Glaubens" eher in Richtung der Homöopathie-Befürworter erhoben, obwohl man ebenso gut sagen kann, dass ein starres Nichtglauben auch eine Form von Glauben ist.

[Sylvia Gabelmann:] Natürlich.

[Stefan Reis, VKHD:] Kritiker fordern, dass homöopathische Arzneimittel aus der Apothekenpflicht entlassen und mit den deutschen Bezeichnungen des Inhalts etikettiert werden sollen. Auch aufgedruckte „Warnhinweise“ auf fehlenden Wirksamkeitsnachweis wurden bereits gefordert. Wie ist Ihre Meinung bzw. die Ihrer Fraktion zu diesen Punkten?

[Sylvia Gabelmann:] Ich möchte nicht, dass die homöopathischen Arzneimittel aus der Apothekenpflicht entlassen werden, weil auf diesem Weg die Wirksamkeit negiert würde. Es würde auch bedeuten, dass es sich eben nicht um Arzneimittel handle. Das sehe ich anders: homöopathische Arzneimittel sollten apothekenpflichtig bleiben, auch um eine Beratung in der Apotheke zu ermöglichen. Warnhinweise aufzudrucken halte ich für absolut abwegig. Das einzige, was man einem homöopathischen Arzneimittel vorwerfen könnte, wäre ja eine Nichtwirksamkeit und das rechtfertigt unter gar keinen Umständen einen Warnhinweis. Es gäbe mehr Gründe, auf klassische Arzneimittel Warnhinweise zu drucken, als auf homöopathische.

[Stefan Reis, VKHD:] Kritiker fordern auch, die Erstattungsfähigkeit homöopathischer Arzneien durch die gesetzlichen Krankenkassen zu untersagen. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

[Sylvia Gabelmann:] Die Erstattungsfähigkeit ist ja sowieso schon eingeschränkt und dies noch weiter einzuschränken, halte ich für falsch.

[Stefan Reis, VKHD:] Soll die Homöopathie an deutschen Universitäten im Rahmen des Medizinstudiums einen Raum einnehmen, oder soll man Vorlesungen zur Homöopathie an der Universität grundsätzlich abschaffen?

[Sylvia Gabelmann:] Mich hat schon in meinem Pharmaziestudium gestört, dass Homöopathie, wie überhaupt komplementäre oder alternative Therapiemethoden, überhaupt keinen Raum hatten. In gleichem Maße halte ich es im Medizinstudium für sinnvoll, auch Therapieformen anzubieten, die außerhalb der klassischen westlichen "Schulmedizin" liegen. Grundsätzlich bin ich dafür, die integrative Medizin insgesamt zu fördern. Ich halte es für den sinnvollsten Weg, wenn man erprobte und teilweise seit Jahrhunderten bewährte Therapiesysteme wie Ayurveda und traditionelle chinesische Medizin einbezieht in die Möglichkeiten eines Therapieplans und sie nicht von vornherein ausschließt.

[Stefan Reis, VKHD:]Nun noch ein paar Fragen zum Beruf des Heilpraktikers:
Aus Kreisen der Politik war in der vergangenen Zeit zu hören, dass der Beruf des Heilpraktikers mittelfristig abgeschafft werden solle. Diese Stimmen sind zuletzt ein wenig leiser geworden. Die CDU/CSU, aber auch die FDP hat sich zuletzt von derartigen Forderungen aus den eigenen Reihen wieder verabschiedet. Wie sehen Sie bzw. Ihre Fraktion das? Wie schätzen Sie die Rolle des Heilpraktikers im deutschen Gesundheitssystem ein? Sehen Sie oder Ihre Fraktion Bedarf an einer Reform des Heilpraktikergesetzes und, wenn ja, welche Bereiche sollten Ihrer Ansicht nach reformiert werden?

[Sylvia Gabelmann:] Hier haben wir aktuell das Problem mit dem Passus im GSAV [Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung], der sich auf die Eigenbluttherapie bezieht. Da habe ich sehr schnell gesagt, dass hier die Gefahr besteht, dass die Berufsausübung von Heilpraktiker*innen quasi auf dem "kalten Wege" mindestens stark eingeschränkt würde, wenn nicht gar die wirtschaftliche Existenz in Gefahr gerät. Die Intention des Gesetzes, die Arzneimittelversorgung sicherer zu machen, auch im Hinblick auf mögliche Infektionsgefahren, ist ja nachvollziehbar, aber das trifft auf Eigenbluttherapien definitiv nicht zu. Deswegen habe ich jetzt auch Änderungsanträge zum GSAV eingebracht, die darauf abzielen, die Eigenbluttherapie bei den Beschränkungen explizit auszunehmen.

Das Heilpraktikergesetz in irgendeiner Form zu verändern, halte ich für falsch. Ich finde es völlig in Ordnung und halte die Heilpraktiker*innen insbesondere in unserem heutigen Gesundheitssystem für dringend notwendig. Dies zeigt sich auch durch die steigende Nachfrage, die natürlich damit zusammenhängt, dass in Arztpraxen keine Zeit mehr ist für eine ausführliche Anamnese oder eine ganzheitliche Sichtweise. Ich glaube, dass das Vielen fehlt und für Viele der Anlass ist, es mal beim Heilpraktiker zu probieren. Ein Ressentiment gegenüber der rein "schulmedizinischen" Ausrichtung ist ja an vielen Stellen berechtigt. Über Antibiotikaresistenzen wird derzeit viel gesprochen, aber gerade die Homöopathie oder überhaupt eine naturheilkundliche Therapieform könnte dazu beitragen, dass diese Resistenzen nicht den Umfang haben, wie wir ihn derzeit sehen. Ich versuche die integrative Medizin auf allen Ebenen zu fördern, soweit mir das möglich ist und halte das für den sinnvollsten Weg, die Medizin oder das Gesundheitswesen weiterzuentwickeln.

Ich habe es sehr begrüßt, dass Manuela Schwesig die Schirmherrschaft über die Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte in Stralsund übernommen hat. Und es tut mir leid, dass sie deswegen jetzt so unter Beschuss gekommen ist. Hier zeigt sich auch, wie aggressiv die Homöopathie-Gegner*innen vorgehen und wie gut sie organisiert sind, um die Homöopathie aus dem Gesundheitswesen zu drängen. Ich frage mich schon, was da der Hintergrund sein könnte, worum es denen eigentlich geht, was das eigentliche Interesse dabei ist. Ich unterstelle mal, dass hier nicht das Patientenwohl an erster Stelle steht.

Eines noch: es ist kein unwesentlicher Faktor, dass sowohl die große Mehrheit der Heilpraktiker*innen, als auch die Mehrheit ihrer Patient*innen weiblich sind … das ist eine Tatsache, die meiner Meinung nach mehr beachtet werden müsste. Ich gehe davon aus, dass Frauen tendenziell ein besseres Verhältnis zu ihrem Körper haben und wohl auch ein besseres Verständnis für das Prinzip der Selbstheilungskräfte.

Wir bedanken uns sehr herzlich für die Beantwortung unserer Fragen.
Teilen auf FacebookTeilen auf Twitter