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Evidenzbasierte Medizin – eine Illusion

Evidenzbasierte Medizin – eine Illusion Evidenzbasierte Medizin – eine Illusion Fotolia © Africa Studio #37916511
Die evidenzbasierte Medizin soll sich definitionsgemäß auf drei Säulen stützen: die ärztliche Erfahrung, die individuellen Werte und Wünsche der Patient*innen und den aktuellen Stand der klinischen Forschung (beste verfügbare externe Evidenz). Heutzutage dominiert die dritte Säule, obwohl sie immer stärkeren Zwängen ausgesetzt ist. Hier liegt einiges im Argen, wie ein aktueller Artikel im British Medical Journal verdeutlicht.


Vor einer Weile wurden die Homöopath*innen mit der Meldung konfrontiert, dass die Studienlage zur Homöopathie noch viel schlechter sei, als ohnehin schon immer angenommen. Dabei mangele es nicht nur an der Qualität des Studiendesigns, auch Verzerrungen durch Abhängigkeiten seien an der Tagesordnung. Zudem würden zahlreiche Studien nicht publiziert, was den Schluss zulasse, dass diese dann wohl nicht das erwünschte Ergebnis erbracht hätten. Wir hatten diese einseitige und tendenziöse Meldung im Newsletter 82 bereits kommentiert.

In einer Zeit, in der so genannte „wissenschaftliche Nachweise“ nicht nur für Therapie-, sondern auch für politische Entscheidungen eine zunehmende Rolle spielen, kommt es gerade zur rechten Zeit, dass auch der Begriff der „evidenzbasierten Medizin“ (EBM), beziehungsweise die reale Situation der EBM, einer kritischen Betrachtung unterzogen wird. Dies haben jüngst zwei Autoren getan und ihren Standpunkt publiziert – übrigens in demselben Journal wie das oben erwähnte Papier.

Dabei lehnen die Autoren das Konzept der EBM keineswegs ab. Sie bemängeln aber die enge Verflechtung der Forschenden mit der Pharmaindustrie, der sie wiederum finanzielle Interessen unterstellen, die das Interesse am Gemeinwohl überwiegen. Die Industrie unterdrücke negative Studienergebnisse, melde unerwünschte Ereignisse nicht, und teile die Rohdaten nicht mit der akademischen Forschungsgemeinschaft. Die Autoren gehen so weit, dass sie auch von Todesfällen von Patient*innen infolge kommerzieller Interessen sprechen. Auch Universitäten seien (beispielsweise mangels staatlicher Förderung) von Zuwendungen aus der Pharmaindustrie abhängig, und machten sich so zu deren Instrumenten. In ihrem Papier beschreiben die Autoren noch weitere, auch personelle Verflechtungen von Pharmaindustrie und universitären Forschungseinrichtungen sowie Verlagen und Fachjournalen. Die Autoren fordern unter anderem, den finanziellen Einfluss der Pharmaunternehmen zu unterbinden und sie angemessen zu besteuern, um mit diesen Einnahmen unabhängige Forschung zu finanzieren. Zudem wünschen sie sich eine transparentere Veröffentlichung von Studienergebnissen.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen positiven Leserbriefe, die auf derselben Seite eingesehen werden können: https://www.bmj.com/content/376/bmj.o702/rapid-responses
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