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Reaktorunfall: Jod nur nach behördlicher Anordnung einnehmen

Reaktorunfall: Jod nur nach behördlicher Anordnung einnehmen Reaktorunfall: Jod nur nach behördlicher Anordnung einnehmen pixabay 837823_960_720

Wenn bei einer Reaktorkatastrophe radioaktives Jod freigesetzt wird, bieten Jodtabletten einen gewissen Schutz. Denn hochdosiertes Jod in Form von Kaliumjodid-Tabletten blockiert die Schilddrüse und reduziert damit das Risiko für Schilddrüsenkrebs. Dosierung und Zeitpunkt der Einnahme müssen aber exakt nach Vorgaben der Behörden erfolgen. Darauf weisen Experten anlässlich aktueller Diskussionen hin.

Ende Mai berichteten zahlreiche Medien, dass Nordrhein-Westfalen vorsorglich Jodtabletten für alle Schwangeren und Minderjährigen im Land kaufen werde. Sie sollen bei einem Reaktorunfall an diese zum Schutz vor Strahlenschäden der Schilddrüse verteilt werden. Hintergrund der Maßnahme sind die grenznah gelegenen belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel, die als störanfällig gelten. 

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät anlässlich der Jodtabletten-Debatte in Nordrhein-Westfalen von einer „vorsorglichen“ Eigenmedikation dringend ab. Zu hohe Joddosen schadeten der Gesundheit. Die handelsüblichen Jodtabletten seien andererseits zu gering dosiert und reichten nicht zur „Jodblockade“ im Notfall, so die Hormonexperten. Die Bevölkerung solle sich auf die behördlichen Angaben zu Anlass, Zeitpunkt und Dosierung verlassen.

Bei einem Reaktorunfall wird aktives Jod freigesetzt. Es hat die gleichen chemischen und biologischen Eigenschaften wie das in der Nahrung vorkommende natürliche Jod und wird daher wie normales Jod in der Schilddrüse gespeichert. Diese konzentrierte Speicherung in der Schilddrüse unterscheidet Jod von anderen Stoffen. Durch die Einnahme von extrem hochdosierten Jodtabletten wird die Aufnahme des freigesetzten radioaktiven Jods in der Schilddrüse blockiert. 

Anstieg von Schilddrüsenkrebs verhindern

Die Experten sind sich einig: Die Einnahme von Kaliumjodid-Tabletten unmittelbar nach Reaktorunglücken kann das vermehrte Auftreten von Schilddrüsenkrebs verhindern. Das zeigte sich z.B. nach der Katastrophe im ukrainischen Tschernobyl vor 30 Jahren. Die polnischen Behörden hatten sofort Jodtabletten an Kinder ausgegeben. Im Unterschied zur Ukraine und zu Weißrussland stieg dort die Zahl der Schilddrüsenkarzinome bei Kindern und Jugendlichen nicht an.

Schnelles Handel ist angesagt

Die WHO empfiehlt 130 Milligramm als Einmalgabe ein bis zwei Tage vor Eintreffen der radioaktiven Wolke. Drei Stunden später sind die Tabletten nur noch zu 50 % wirksam, zehn Stunden später gar nicht mehr. Noch später kann die Einnahme sogar schaden, da dann das durch die Atmung schon aufgenommene radioaktive Jod langsamer ausgeschieden wird.

Jodpräparate, die als Schilddrüsensupplemente für Schilddrüsenerkrankungen oder für Schwangere angeboten werden, sind für den Einsatz nach einem Störfall völlig ungeeignet, da sie um einige Zehnerpotenzen niedriger dosiert sind: Sie enthalten 100 bis 200 Mikrogramm und haben auch nicht die unten aufgeführten Nebenwirkungen. Der Höchstwert für die Jodzufuhr beträgt in Deutschland 500 Mikrogramm pro Tag.

Warnung vor falschem Einsatz

Die DGE warnt vor den Folgen eines unbedachten Umgangs mit den hochdosierten Kaliumjodid-Tabletten: „Jod in diesen extrem hohen Dosen kann zu Störungen der Schilddrüsenfunktion wie zum Beispiel einer Überfunktion der Schilddrüse, einer Hyperthyreose, mit Herzrasen, Schweißausbrüchen, Gewichtsverlust und Bluthochdruck führen.“ Auch ein Morbus Basedow oder eine chronische Schilddrüsenentzündung (Hashimoto-Thyreoiditis) könnten die Folge sein. Deshalb soll niemand zum Schutz vor möglichen Reaktorunfällen eigenständig hochdosierte Jodpräparate einnehmen. Wenn ein Reaktorunfall eingetreten ist, werden die Behörden unverzüglich die entsprechenden Informationen und Empfehlungen zur Einnahme von Jodtabletten bekannt geben.

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