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Fachleute warnen vor verstecktem Muskelschwund – vor allem bei Übergewicht

Fachleute warnen vor verstecktem Muskelschwund – vor allem bei Übergewicht Fachleute warnen vor verstecktem Muskelschwund – vor allem bei Übergewicht Fotolia #30674332 © Airwasabi
Proteine und Kraftsport könnten helfen, wenn adipöse Patient*innen an Muskelschwund litten. Doch meist werde die Krankheit nicht erkannt, schreibt ein internationales Experten-Panel, das das neue Krankheitsbild der sogenannten „sarkopenen Adipositas“ definierte und Kriterien zur Diagnose erarbeitete.


Es sei ein bislang kaum beachtetes Krankheitsbild, und es beträfe vor allem Menschen mit Adipositas: Aufgrund von Bewegungsmangel könne es bei dieser Bevölkerungsgruppe zu einem schleichenden Muskelschwund kommen, der unter dem Fettmantel verborgen und damit unentdeckt bleibe.

Muskelschwund aufgrund von Bewegungsmangel sei eine Krankheit, die bislang vor allem bei betagten Menschen, bei chronisch Kranken und als Folge längerer Phasen der Unbeweglichkeit beobachtet werde. Beispiele für solche chronischen Krankheiten könnten Krebs, Herzinsuffizienz oder Diabetes sein. Längere Unbeweglichkeit könne z.B. durch langes Tragen eines Gipsverbandes oder längere Bettlägerigkeit verursacht werden. Neu sei allerdings die Erkenntnis, dass auch junge Menschen an Muskelschwund leiden können, wenn sie entsprechendes Körpergewicht auf die Waage brächten, erklärt Ernährungsmediziner Prof. Dr. med. Bischoff von der Universität Hohenheim in Stuttgart. „Mit zunehmendem Übergewicht steigt erst einmal die Muskelmasse, um die Gewichtszunahme auszugleichen. Danach erreicht die Muskelmasse jedoch oft einen Kipp-Punkt, ab dem sie aufgrund von Bewegungsmangel wieder abnimmt.“


Mit abnehmender Muskelmasse steigt die Gefahr von Erkrankungen

Das Gefährliche daran: Bei stark bis krankhaft übergewichtigen Menschen verberge die Decke aus Körperfett den gefährlichen Muskelverlust. Die Folgen seien nicht zu unterschätzen, warnt Prof. Dr. Bischoff: „Patientinnen und Patienten mit Muskelschwund sind deutlich anfälliger für Krankheiten. Auch die Lebenserwartung sinkt“, so der Ernährungsmediziner.


Ein Viertel der Bevölkerung potentiell betroffen

In Deutschland seien Übergewicht und Adipositas leider kein Randgruppenphänomen: Rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland sei inzwischen übergewichtig. Bei einem Viertel der Gesamtbevölkerung sei das Übergewicht so stark ausgeprägt, dass sie als Adipositas und damit als Krankheit eingestuft werde, so Prof. Dr. Bischoff.


Expert*innen werten internationale Erkenntnisse aus

Zuerst sei der Zusammenhang zwischen Adipositas und Muskelschwund durch eine Häufung von Einzelbeobachtungen aufgefallen. Um den Verdacht zu erhärten, entschlossen sich zwei Fachgesellschaften – die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) und die European Association for the Study of Obesity (EASO) – das Thema mit einer eigens einberufenen Expertenrunde zu klären.

In ihrem Auftrag führten Prof. Dr. med. Bischoff und über 30 Kolleg*innen die Expertise aus 16 Ländern Europas und aus Übersee zusammen. In einem vierstufigen sogenannten Konsensus-Gespräch erarbeiteten die Fachleute aus verschiedenen Disziplinen eine klinische Definition und Diagnoseverfahren.


Konsenspapier empfiehlt Methodenmix zur Diagnose

Um die sogenannte „sarkopene Adipositas“ zu diagnostizieren, empfehlen sie einen Methodenmix. Dabei werden sowohl die Anteile von Fett- und Muskelmasse im Körper bestimmt als auch die Muskelfunktion gemessen. Um die Körperzusammensetzung zu bestimmen, biete sich z.B. die Bioimpedanzanalyse an: Das Analysegerät leite einen schwachen Strom durch den Körper der Patient*innen. Aus dem elektrischen Widerstand lasse sich dann die Körperzusammensetzung berechnen. Alternativ könnten auch Messungen aus der Magnetresonanztomographie („MRT-Röhre“) verwendet werden. Um die Muskelfunktion zu testen, gäbe es eine Reihe standardisierter Tests. Dabei werde z.B. gestoppt, wie oft Patient*innen in einer Minute aufstehen und sich wieder hinsetzen könnten oder welche Gehstrecke sie in sechs6 Minuten zurücklegten.

Von der sarkopenen Adipositas sprechen die Experten, wenn sowohl der Anteil von Muskelmasse zu niedrig als auch die Muskelfunktion bereits beeinträchtigt ist. Bei der endgültigen Diagnose würden dann noch Details wie Alter, Geschlecht oder auch die ethnische Zugehörigkeit berücksichtigt.


Proteinreiche Kost als Hoffnungsträger bei den Therapieformen

Wie die sarkopene Adipositas behandelt werden könne, sei derzeit noch Gegenstand der Forschung, betont der Ernährungsmediziner der Universität Hohenheim. Erste Ergebnisse zeichneten sich jedoch bereits ab.

Es müsse neben der Gewichtsreduzierung noch mehr darauf geachtet werden, dass die Muskelmasse bei der Gewichtsabnahme möglichst unangetastet bleibt bzw. wieder aufgebaut wird. Am aussichtsreichsten dafür scheine die Kombination aus Krafttraining und proteinreicher Ernährung. Außerdem scheine ein Krafttraining zum Muskelaufbau wichtig zu sein.


Originalpublikation

Donini LM, Busetto L, Bischoff SC et al. Definition and Diagnostic Criteria for Sarcopenic Obesity: ESPEN and EASO Consensus Statement. Obes Facts 2022; 15(3): 321–335. doi: 10.1159/000521241.
https://karger.com/ofa/article/15/3/321/825712/Definition-and-Diagnostic-Criteria-for-Sarcopenic

Quelle: Universität Hohenheim
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