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Wissenschaftler*innen fordern die stärkere Erforschung von Heilpflanzen

Wissenschaftler*innen fordern die stärkere Erforschung von Heilpflanzen Wissenschaftler*innen fordern die stärkere Erforschung von Heilpflanzen Fotolia #49597589 © lily

Heilpflanzen könnten die medizinische Versorgung der Menschheit sichern – dazu müssten sie umfassend erforscht und geschützt werden, fordert ein Team von Wissenschaftler*innen. Für die Homöopathie könnten sich möglicherweise aus den gewonnenen Erkenntnissen neue Optionen für Erstprüfungen ergeben. 

Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen plädiert dafür, die Erforschung von Heilpflanzen systematisch voranzutreiben, um ihr Potenzial für die globale Gesundheitsversorgung nachhaltig zu nutzen. Sie zeigen die Möglichkeiten auf, die der wissenschaftliche und technische Fortschritt für das Verständnis der ökologischen Funktionen bioaktiver Pflanzenstoffe und ihren Einsatz in der Medizin eröffnet. Gleichzeitig weisen sie auf die Gefahren hin, welche insbesondere die Klima- und Biodiversitätskrise für diese wichtige Naturressource darstellen.  

Seit Jahrtausenden vertrauen Menschen auf die heilende Wirkung von Pflanzen – an manchen Orten sind sie noch heute das einzige frei verfügbare Heilmittel. Die Hälfte der in den letzten vier Jahrzehnten weltweit zugelassenen Medikamente basiert auf den Inhaltsstoffen medizinischer Pflanzen oder wurde nach ihrem Vorbild entwickelt. Das traditionelle Schmerzmittel Morphium wird aus Schlafmohn gewonnen, die Salicylsäure für Aspirin kommt als Pflanzenhormon in der Rinde von Weidenbäumen vor. Zuletzt hat das Interesse an Heilpflanzen durch neue, hochentwickelte Verfahren zur Analyse ihrer bioaktiven Stoffe erneut zugenommen.

Heilpflanzen und ihre bioaktiven Stoffe böten enorme Möglichkeiten für die zukünftige medizinische Versorgung der Menschheit – als eine naturbasierte, kostengünstige und effiziente Gesundheitsressource. Aber unser Wissen über sie sei immer noch ausschnitthaft, so die Forschenden. Von etwa 374.000 bekannten Pflanzenarten seien bislang nur 15 Prozent chemisch analysiert – und gerade einmal sechs Prozent wurden unter pharmakologischen Gesichtspunkten untersucht. Die rasanten Entwicklungen auf den Gebieten der Metabolomik – der Erforschung von Stoffwechselprodukten – und Genomik eröffne nun neue Möglichkeiten für die systematische Analyse bioaktiver Pflanzenstoffe und ihrer Einbettung in komplexe Ökosysteme. So konnten zum Beispiel im Genom der Eibe diejenigen Gene identifiziert werden, die für die Synthese des in der Krebstherapie eingesetzten Stoffs Paclitaxel verantwortlich sind.

Gleichzeitig sind hergebrachte – und noch unbekannte – Heilpflanzen durch den Einfluss des Menschen bedroht. Bewährte Gewächse wie Sideritis scardica, als Griechischer Bergtee unter anderem bei Erkältungen angewendet, stehen durch übermäßiges Sammeln vor dem Aussterben. Für Tausende Menschen in den Ländern des Balkans stellt Sideritis-Sammeln derzeit allerdings die einzige Lebensgrundlage dar. Hier müsste die lokale Bevölkerung in die Entwicklung nachhaltiger, natürlichen Ökosystemen nachempfundener Anbaukonzepte einbezogen werden, regen die Forschenden an.

Die Klima- und Biodiversitätskrise bedroht zudem ganze Ökosysteme. Die Wissenschaftler*innen erklären, dass die bioaktiven Pflanzenstoffe, die wir als Heilmittel einsetzen, in der Natur spezifische Aufgaben in der Interaktion von Pflanze und Ökosystem erfüllen – von der Bestäubung bis zur Bodenqualität. Extreme Temperaturen, Dürreperioden und eine erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre können dieses komplexe Zusammenspiel stören. Hier müssten die Klima- und Biodiversitätsforschung zusammenarbeiten – auf allen Ebenen, von der genetischen und molekularen bis zu Artengemeinschaften und Ökosystemen –, um Grundlagen für geeignete Schutzkonzepte zu schaffen.

Am Beispiel von Europa haben die Forschenden eine Reihe von Indikatoren entwickelt, um das medizinische und sozioökonomische Potenzial von Ökosystemen sowie deren mögliche Gefährdung für verschiedene Gebiete zu erfassen. Hier stechen die Mittelmeerregion und polarnahe Gebiete besonders hervor. Ihr Ziel sei, Anstöße für die transdisziplinäre globale Erforschung von medizinischen Pflanzen zu geben. So könnten wir in der Zukunft nicht weniger als eine nachhaltige Transformation der weltweiten Gesundheitsversorgung erreichen und die „medizinische Biodiversität“ für kommende Generationen sichern.

Originalpublikation

Theodoridis S, Drakou EG, Hickler T, Thines M, Nogues-Bravo D. Evaluating natural medicinal resources and their exposure to global change. Lancet Planet Health 2023; 7: e155–63.

www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(22)00317-5/fulltext

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