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Montag, 30 März 2020 16:31

Telefonberatungen / Fernbehandlung

Ansteckungsrisiko und Ausgangssperren wecken bei Patient*innen und Therapeut*innen den Bedarf an Online- bzw. Video-Sprechstunden. Was ist zulässig?

Die Antwort muss leider in drei und in diesen Zeiten der „Corona-Verordnungen“ sogar in vier wesentliche Fragestellungen unterteilt werden:

  1. Werden bei den genutzten Verfahren die aktuellen Datenschutzrichtlinien eingehalten?
  2. Wozu wollen und dürfen wir Video-Sprechstunden nutzen, Thema „Fernbehandlung“?
  3. Was dürfen derzeit Heilpraktiker*innen überhaupt behandeln?
  4. Wie darf für Video-Sprechstunden geworben werden?

Welche Anbieter entsprechen den Anforderungen des Datenschutzes in der Patienten-Kommunikation?

Für den Datenschutz ist zu beachten, dass lediglich Peer-to-Peer-Verbindungen mit einer Ende-zu-Ende Verschlüsselung ohne Zwischenserver erlaubt sind. Die Video-Telefonie mittels Skype, die zudem über einen Server in den USA erfolgt, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Wir raten daher dringend davon ab, Skype für den Praxisgebrauch zu nutzen.

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, die Verfahren für Video-Sprechstunden anbieten. GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben vereinbart, „dass Anbieter von Diensten zur Durchführung von Videosprechstunden den Nachweis über die Einhaltung der Anforderungen an den Datenschutz, die Informationssicherheit sowie funktionale Aspekte führen müssen“. Die KBV listet Anbieter, die diesen sicherlich auch für Heilpraktiker*innen ausreichenden Kriterien entsprechen, unter folgendem Link auf: https://www.kbv.de/media/sp/Liste_zertifizierte_Videodienstanbieter.pdf

Mit der Möglichkeit kostenloser Videokonferenzen oder jedenfalls kostenloser Registrierung – weitere Aspekte haben wir nicht überprüft! – werben beispielsweise
ak arztkonsultation.de https://arztkonsultation.de/, Clickdoc https://www.cgm.com/, RED Conncect https://www.redmedical.de/red-connect-videosprechstunde/, medizin.de https://beratung.medizin.de, vimeeta https://www.vimeeta.de, Sprechstunde online https://www.sprechstunde.online und Zumedu https://zumedu.de/.

  • Kostenlose Angebote verstehen sich allerdings oft nur als Schnupper-Angebote oder sind als temporäre „Corona-Soforthilfe“ deklariert. Oder, wie bei Zumedo: Die Registrierung ist kostenlos, doch die Nutzung kostet einen bestimmten Betrag pro Patient*in. Vergleichen Sie die Angebote daher auch unter dem Aspekt längerfristiger Perspektiven. Relativ verbreitet ist der mit dem Empfehlungsportal Jameda verknüpfte Konferenz-Anbieter Patientus. Als Telemedizin-Plattform mit kostenlosen Angebots-Varianten wurde uns ferner https://doxy.me/ genannt (nach eigenen Angaben konform mit DSGVO und amerikanischen Telemedizin-Anforderungen, womöglich wegen US-amerikanischem Server aber nicht auf der KBV-Liste).

Allgemeine Informationen zur technischen Seite der Online-Behandlung finden Sie unter anderem auch unter folgendem Link: https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php Die dort aufgeführten Informationen sind zwar für Ärzte gedacht, sind aber, abgesehen von der Frage der Erstattung, auch für Heilpraktiker*innen. 

Wozu wollen und dürfen wir Video-Sprechstunden nutzen?

Dies ist eine sehr wichtige Frage, denn Video- und Online, E-Mail, Briefe und telefonischer Kontakt gelten gleichermaßen als Fernbehandlung. Bis vor Kurzem galt für Ärzt*innen in deren Musterberufsordnung ein klares Fernbehandlungsverbot (§ 7 Abs. 4 M-BO a. F.). Für Heilpraktiker*innen gibt es dazu keine klare Regelung. Üblicherweise werden für uns jedoch in der Regel die gleichen Maßstäbe angelegt wie für Ärzt*innen. Dieses Verbot ist allerdings 2018 gelockert worden. In der Musterberufsordnung heißt es nunmehr:

„Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“

Diese Vorgabe ist jedoch aber nur ein Muster, das von den Berufskammern der einzelnen Bundesländer nicht übernommen werden muss. Eine Umsetzung erfolgte von den Berufskammern Nordrhein, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen.Hessen und Westphalen-Lippe haben die Formulierung überwiegend übernommen und Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein haben die Fernbehandlung nur dezent gelockert. Von den Berufskammern Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland wurde das Fernbehandlungsverbot im Wesentlichen beibehalten. Aufgrund dieser Unterschiedlichkeiten und der bisherigen Rechtsprechung sollten Heilpraktiker*innen weiterhin eher zurückhaltend mit Fernbehandlungen sein und vor allem beachten:

  • Heilpraktiker*innen sollten (ebenso wie Ärzt*innen) online oder am Telefon keine Diagnose stellen und die medizinischen Sorgfaltspflichten besonders sorgfältig abwägen.

Unsere Sorgfaltspflicht schränkt die Möglichkeiten rechtssicherer Fernbehandlung ein: wenn neue Symptome auf eine neue Erkrankung hindeuten, ebenso bei allen Erstanamnesen, ist die Augenscheinnahme der Patient*innen, auch mit der Möglichkeit weiterführender Inspektion und Untersuchungen, unverzichtbar. Geschieht dies nicht, dann drohen auch haftungsrechtliche Risiken (siehe dazu VKHD Online-Handbuch 4.5.5) . In der aktuellen Lage ist die Sorgfaltspflicht der Augenscheinnahme freilich mit der Sorgfaltspflicht (sowie den Vorschriften) des Infektionsschutzes abzuwägen. Nach den Corona-Verordnungen der verschiedenen Bundesländer sind Praxistermine, auch in Heilpraktiker-Praxen, bei deutlicher medizinischer Notwendigkeit und unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen (Hygiene, nicht mehrere Personen im Wartezimmer usw.) weiterhin gestattet. Wir empfehlen, auch Kontaktpersonen an Covid-19 erkrankter Personen keine Praxis-Termine anzubieten. Viele der folgenden Hinweise der KBV sind auch für Heilpraktiker*innen anwendbar:

https://www.kvb.de/praxis/qualitaet/hygiene-und-infektionspraevention/infektionsschutz/coronavirus/

Das Behandlungsverbot von Covid-19 für Heilpraktiker*innen und die namentliche Meldepflicht bei Verdacht setzen wir als bekannt voraus. Aufgrund der häufig unspezifischen Symptome bei beginnender Corona-Infektion liegt die Verdachts-Schwelle eher niedrig. 

Unser Fazit, bis hierher:

  • In der derzeitigen epidemiologischen Lage empfehlen wir allergrößte Zurückhaltung in der Behandlung (auch Fernbehandlung!) von Atemwegs-Infekten, da der Verdacht auf Covid-19 schwer abzuweisen ist. Bei begründetem Verdacht ist der Fall unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden.
  • Erstanamnesen und Anamnesen neuer Erkrankungen bekannter Patient*innen sollten weiterhin in der Praxis erfolgen. Dabei sind besondere hygienische Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten (Abstand, Desinfektion / Händewaschen, keine Wartezimmer-Begegnungen, körperliche Untersuchungen ggf. mit Mundschutz).
  • Beschränken Sie Praxistermine auf Fälle mit klar darstellbarer medizinischer Notwendigkeit. Schönheitsbehandlungen und Abnehm-Beratung gehören sicherlich nicht dazu. Gewährleisten Sie Abstand und besondere Hygiene.
  • Für die Behandlung von Kontaktpersonen ansteckungsverdächtiger Menschen empfiehlt sich jedoch Telemedizin, wann immer möglich und verantwortbar, als sicherste Option.
  • Fernbehandlungen (Telefon oder datensichere Internet-Kommunikation) können auch unter dem Aspekt der medizinischen Sorgfaltspflicht im Einzelfall durchaus sinnvoll und effektiv sein, um zum Beispiel eine erforderliche engmaschige Verlaufsbeobachtung oder Anpassung der Dosierung durchzuführen. Bei neuen Erkrankungen, wie gesagt, nicht.
  • Beachten Sie die weiterhin gültigen Einschränkungen der Werbung für Fernbehandlungen (siehe weiter unten).
  • Überprüfen Sie Ihre Vorgehensweisen und Ihre Website unter diesen Aspekten. Vorschläge zur Patienten-Information finden Sie weiter unten.

Beim Begriff der „medizinischen Notwendigkeit“ gehen wir davon aus, dass ähnliche Maßstäbe wie bei der Kostenerstattung durch PKV und Beihilfe angewendet werden.

Manche Patient*innen werden davon ausgehen, dass Video-Sprechstunden den Besuch bei der Heilpraktiker*in in der Praxis ganz ersetzen könnten. Therapeut*innen sollten daher klar auf die Grenzen der Online-Beratung hinweisen und, wann immer erforderlich, um einen Termin in der Praxis bitten. Dokumentieren Sie ihr Vorgehen, gerade auch bei Telefon- oder Online-Terminen, sorgfältig. Dokumentieren Sie ebenso Ihre Hinweise auf Grenzen der Fernbehandlung (denkbar ist bspw. ein entsprechender Textbaustein für E-Mails mit Terminbestätigung, aber wir empfehlen auch die Notiz in der Krankenakte).

Möglicherweise werden die strengen Maßnahmen zum persönlichen Kontakt demnächst wieder gelockert. Über Änderungen, die sich im Zuge des weiteren Verlaufs – und hoffentlich baldigem Abklingen – der Pandemie ergeben, werden wir Sie informieren.

Einschränkungen der Werbung für Fernbehandlung

Das grundsätzliche Verbot der Werbung für Fernbehandlungen wurde gelockert. Lesen Sie § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) in der aktuellsten Fassung :

„Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.“

Das einstmals generelle Werbeverbot für Fernbehandlungen wurde also eingeschränkt, aber nicht ganz aufgehoben. Was bedeutet das für uns? Von Patient*innen kann niemand erwarten, dass sie wissen, was denn nun „allgemein anerkannte fachliche Standards“ sind. Auch wir als Berufsgruppe müssen uns fortwährend hierzu auf dem Laufenden halten, da medizinische Standards sich auch mal ändern und generell im Fluss sind. Unser Fazit aus dem hier neu eingefügten Satz 2:

  • Sie dürfen für Fernbehandlung auf datenschutzrechtlich geeigneter Plattform werben, wenn Sie zugleich darauf hinweisen, dass die beworbene Art der Fernbehandlung (Video-Sprechstunde, oder was auch immer) nicht für jeden Behandlungsfall und insbesondere nicht für Erstkontakte geeignet ist. Denkbar ist eine Formulierung wie „Mit Rücksicht auf die medizinische Sorgfaltspflicht biete ich Video-Sprechstunden nur bei dafür geeigneten Behandlungsfällen und auch nicht für den Beginn einer Behandlung an“.

Wir gehen davon aus, dass die Formulierung „ärztlicher Kontakt“ in § 9 HWG für Heilpraktiker*innen analog zu verstehen ist, denn für unseren Beruf gelten insofern keine geringeren Einschränkungen.

Unser Vorschlag: Sprechen sie Ihre Patient*innen aktiv auf die aktuelle Lage an!

  • Erläutern Sie, warum Sie derzeit keine akuten Erkältungs- oder Grippezustände behandeln können, und wie Patient*innen im Falle unklarer oder verdächtiger Symptome vorgehen sollen.
  • Erläutern Sie alle Maßnahmen, die Sie in Ihrer Praxis zum erhöhten Infektionsschutz durchführen.
  • Erläutern Sie, ob und auf welche Weise Sie bei medizinisch gebotenen Behandlungen weiterhin für Praxistermine zur Verfügung stehen.
  • Benennen Sie alle kommunikationstechnischen Alternativen, aber auch die Grenzen von Behandlungen, ohne persönlichen Kontakt in der Praxis.
  • Bieten Sie auch telefonische Beratung sowie ggf. technische Hilfe für Video-Sprechstunden an. Denn viele Patient*innen sind derzeit verunsichert und wissen selbst nicht, was sie dürfen oder nicht dürfen.
  • Sie können auch auf die Website und Telefon-Hotline www.116117.de hinweisen.

Proaktive Ansprache und Pflege der persönlichen Kontakte zu Ihren Patient*innen – zumindest per E-Mail – hilft Ihnen nicht zuletzt, die kommenden Zeiten auch wirtschaftlich zu überstehen.

Über die Weiterentwicklung der rechtlichen Lage und wichtige Änderungen werden wir Sie informieren. Und bitte halten Sie sich auch selbst über die in Ihrem eigenen Bundesland geltenden Regelungen auf dem Laufenden. Diese werden derzeit häufig aktualisiert; mit Suchmaschinen-Anfrage „[Bundesland] Corona-Verordnung“ kommen Sie schnell zum Ziel.

Bettina Henkel und Carl Classen
VKHD Beiräte

1 Auf einer Patienten-Informationsseite von Patientus heißt es demgemäß „…hält sich Patientus an den deutschen Bundesmantelvertrag für ärztliche Leistungen, also an die aktuellen deutschen Regelungen zur Online-Patientenversorgung. So musst du als Patient bereits bei einem Vor-Ort-Termin beim Arzt gewesen sein, wenn du einen kostenlosen Video-Folgetermin per Patientus nutzen willst. Ärzte dürfen Folgebehandlungen, Beratungen und Zweitmeinungen anbieten, aber (noch) keine Diagnosen stellen. Sie begleiten dich bei bereits diagnostizierten Krankheiten auf dem Weg zurück zur Gesundheit.“
2 https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/__9.html

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