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Nichts drin? Viel dran! Replikation des „Wasserlinsenversuchs“ gelungen!

Eines der wesentlichen Argumente, auf denen die Kritik an der Homöopathie basiert, ist deren angebliche Implausibilität, die wiederum vor allem darauf beruhe, dass Arzneimittel ohne nachweisbaren Inhaltsstoff nicht wirken können. „Nichts drin, nichts dran“ – so der entsprechende Slogan, mit dem eine a priori feststellbare Unwirksamkeit der Homöopathie quasi in Stein gemeißelt wird. Gelegentlich wird mit dieser Begründung auch der Vorwurf einer „fehlenden Scientabilität“ untermauert. Diese wiederum sei ein guter Grund, klinische Studien zu einem Verfahren, das zu Naturgesetzen im Widerspruch stünde, gar nicht erst durchzuführen. Bei Licht betrachtet, ist dies natürlich eine unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit versteckte wahrhaft wissenschaftsfeindliche Haltung. Dabei ist es ja in der Tat irritierend, dass eine „Wirkung“ von Arzneien ausgehen soll, in denen keine ausreichende und womöglich gar keine nachweisbare Wirkstoffmenge vorhanden ist. Allerdings haben die so argumentierenden Skeptizisten jetzt (eigentlich müsste man sagen: spätestens jetzt) ein Problem:

Im Jahr 2010 erzeugte der Versuch einer Gruppe von Wissenschaftler*innen um Tim Jäger von der Uni Bern große Aufmerksamkeit, der einen Beleg dafür liefern wollte, dass potenzierte Arzneien einen Effekt haben – das berühmt gewordene Wasserlinsen-Experiment. Dabei wurde gezeigt, dass zuvor mit Arsen vergiftete und geschädigte Wasserlinsen durch die Zugabe von potenziertem Arsen eine Zunahme an Wachstum zeigten, die sich deutlich von derjenigen unterschied, bei der nur Wasser beziehungsweise potenziertes (!) Wasser zugegeben wurde. Diesen ersten Wasserlinsen-Versuch hat übrigens das Homeopathy Research Institute (HRI) in einem leicht verständlichen Video zusammengefasst, das sich sehr gut eignet, um beispielsweise Patient*innen in die Thematik einzuführen.

Klar war damals schon: Würde sich diese Beobachtung Jägers bestätigen, wäre das wohl annähernd als Beweis dafür zu werten, dass potenzierte Substanzen eine spezifische Wirkung haben können (1). Zwar mussten wir auf diese Bestätigung eine Weile warten, aber jetzt liegt sie vor. Forschende um Annekathrin Ücker von der Universität Witten/Herdecke replizierten den Versuch nahezu Eins zu Eins und erzielten vergleichbare Ergebnisse wie seinerzeit Jäger.

Die Autor*innen beurteilen das Studienresultat wie folgt: „Diese Ergebnisse sind nicht mit der Hypothese vereinbar, dass die Anwendung der Monographie 2371 des Europäischen Arzneibuchs zu pharmazeutischen Zubereitungen ohne spezifische Wirkungen führt.“ Bei der erwähnten Monographie handelt es sich um die Herstellungsvorschriften homöopathischer Arzneimittel. Offen bleibt freilich die Frage, auf welche Weise die Effekte entstehen: „Es sind weitere Studien erforderlich, um einen möglichen Wirkmechanismus zu untersuchen, der diese Wirkungen erklärt.“ Was hier ein wenig trocken formuliert wurde, ist meines Erachtens nichts weniger als eine wissenschaftliche Sensation. Die Wirkung von potenziertem Arsen, auch in Verdünnungen jenseits der Avogadro-Zahl, ist reproduzierbar deutlich nachweisbar. Von wegen „nichts drin, nichts dran“!
Wäre ich Wissenschaftler – gleichgültig aus welcher Fachrichtung, aber erst recht, wenn ich der Homöopathie gegenüber bislang kritisch eingestellt bin – dann würde ich jetzt größtes Interesse daran haben, diesen Versuch nochmals zu replizieren … und sei es aus dem Grunde, ihn scheitern sehen zu wollen. Um sicher zu gehen, würde ich mir dafür ein unabhängiges Institut suchen und Beteiligte der Originalstudien einbeziehen.

Jedenfalls erschiene mir dies doch sehr viel naheliegender, als reflexhaft, sozusagen ex cathedra, die Validität der wiederholt erzielten Studienergebnisse in Zweifel zu ziehen.
Stefan Reis

Anmerkung:
(1)
Dass der Wasserlinsen- Versuch von Seiten der Homöopathie-Gegner unter die Lupe genommen wurde, wundert nicht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die „Effekte nicht stabil reproduzierbar“ seien und führen zum Beweis dieser Aussage ein Folgeexperiment von Forschenden um Baumgartner an, aus dem sie – unter Verzicht auf den nötigen Kontext – zitieren. Der verlinkte Artikel klärt aber nur eine spezifische Frage, nämlich, dass die Ansprechbarkeit von Wasserlinsen auf potenzierte Gibberellinsäure (nicht auf Arsen!) offenbar vom Zustand der Pflanze abhängt. Als weiteres „Argument“ wird angeführt, dass bei wiederholten Versuchen die Effekte „in eine andere Richtung“ gegangen seien. Auch hierzu wird eine Arbeit verlinkt, die aber eine ganz andere Versuchsanordnung beschreibt: dabei wurden nicht Wasserlinsen untersucht, sondern Weizenkeime. Die Kritik der Homöopathie-Gegner, die sich gerne einen sachlichen und wissenschaftlichen Anstrich gibt, erweist sich bei genauer Betrachtung – zumindest in diesem Fall – als haltlos, im besten Falle schludrig, im schlimmsten dagegen böswillig.

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