4.1 Arzneimittelrecht
4.1 Arzneimittelrecht
Stabilität und Haltbarkeit homöopathischer Arzneimittel
Als Berufsverband klassisch homöopathisch arbeitender Heilpraktiker und damit als Vertreter von Anwendern legen wir folgend einige wesentliche Gedanken zum Thema Haltbarkeit und Stabilität homöopathischer Arzneimittel dar. Anlass geben die arzneimittelrechtlich geforderte ‘Stabilitätsprüfung’ und die eventuell zu befürchtende Restriktionen für die Homöopathie durch inadäquate Umsetzung europäischer Richtlinien. Auf eine juristische und politische Stellungnahme glauben wir vorerst verzichten zu können und beziehen hier lediglich aus fachlicher Sicht Position. Einige methodenspezifische Aspekte werden nochmals verdeutlicht durch Bezugnahme auf die Primärliteratur.
Was wird geprüft?
Die pharmakologischen Prinzipien der Homöopathie und die besondere Zubereitungsart potenzierter Arzneimittel bringen Besonderheiten mit sich, die sich vorab schon unter der Frage subsummieren lassen, was eigentlich in seiner Haltbarkeit geprüft werden soll.
Chemisch betrachtet, handelt es sich bei höher potenzierten Arzneimitteln um Ethanol oder Saccharose, bei Tabletten um Lactose mit geringer Beimengung von Hilfsstoffen, bei Ampullen um physiologische Kochsalzlösung. Insofern erscheint es logisch, die Haltbarkeit von Ethanol, Saccharose, Lactose oder Kochsalzlösung in Bezug auf die jeweilige Darreichungsform zu prüfen.
An diesem Punkte wird oft die Frage des Wirksamkeitsnachweises gestellt. Trotz aller Modelle, trotz zahlreicher Untersuchungen zur Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel und trotz des noch reicheren Erfahrungsschatzes muss ja festgestellt werden: die bisher bekannte Naturwissenschaft liefert noch keine allgemein anerkannte Erklärung der Wirkprinzipien homöopathischer Arzneimittel. Die hier noch offene Diskussion darf jedoch nicht mit dem folgend Dargelegten vermischt werden.
Nicht-chemische Wirkprinzipien
Festzuhalten bleibt: wenn homöopathische Mittel wirken, dann tun sie dies offenbar aufgrund völlig anderer Prinzipien als dies bei allen chemisch definierbaren Arzneien der Fall ist. Gestützt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die Indikation und Verschreibung homöopathischer Arzneimittel eigenen Gesetzmäßigkeiten und andersartigen pharmakologischen Prinzipien folgt als außerhalb der Homöopathie üblich.
Offensichtlich ist dieser Unterschied bei Potenzstufen mit einem Verdünnungsgrad über 10-23 , der so genannten Lohschmidtschen Zahl. Doch viele Behandler arbeiten ebenso mit niedrigen Potenzen. Die Erfahrung spricht dafür, dass auch bei diesen Tiefpotenzen die chemisch erklärbaren Wirkungen nicht der eigentlich tragende Faktor sind.
Die Stabilität fertig potenzierter Arzneimittel
Samuel Hahnemann lebte als Begründer der Homöopathie in einer Zeit, in welcher Wissenschaft im heutigen Sinne noch in den Anfängen steckte. Dennoch dachte er wissenschaftlich genug, um die für die Homöopathie relevanten Wirkprinzipien klar von chemischen Einflüssen zu unterscheiden.
Und die Frage der Arzneistabilität finden wir bei ihm bereits klar diskutiert! Als Beispiel dient der reaktionsfreudige Phosphor; es wird die zunächst wohl offene Frage der Wirkungsabänderung durch Oxidation etc. gestellt. Das Zerfallsprodukt, die Phosphorsäure, war bereits umfassend homöopathisch geprüft und konnte in seiner arzneilichen Wirkung mit dem elementaren, roten
Phosphor bestens verglichen werden. Schon der zur C3 potenzierte Phosphor veränderte sich Hahnemanns Beobachtung zufolge offenbar nicht mehr, jedenfalls wirkt er als Phosphor und nicht als Phosphorsäure. Dass dies schon bei ziemlich niedrigen Arzneipotenzen so festgestellt werden konnte, lässt den Schluss zu, dass die Ausgangssubstanz selbst offenbar schon hier nicht mehr der maßgebliche Träger der homöopathie-relevanten Arzneiwirkungen ist.
Wenn die potenzierte Arznei unempfindlich ist, selbst gegenüber schnell und heftig ablaufenden chemischen Veränderungen (als weiteres Beispiel wird die Neutralisation von Säuren und Laugen aufgeführt), um wie viel mehr wird dies gelten für Arzneipotenzen aus organische Substanzen, deren Urtinkturen nur langsamen Veränderungen durch Wärme und Zeit unterworfen sind.
(Samuel Hahnemann, „Die Chronischen Krankheiten, theoretischer Teil“ S. 181/182)
„Aber es entziehen sich die so zubereiteten [bis zur C3 potenzierten] chemischen Arznei-Substanzen nun auch den chemischen Gesetzen.
Eine Gabe des auf ähnliche Weise so hoch potenzirten Phosphors kann in seiner Papierkapsel im Pulte liegen bleiben und zeigt dennoch, nach Jahr und Tag erst eingenommen, immer noch die volle Arzneikraft, nicht die der Phosphorsäure, sondern die des ungeänderten, unzersetzten Phosphors selbst. Auch findet in diesem ihren erhöheten und gleichsam verklärten Zustande keine Neutralisation mehr statt. Die Arzneiwirkungen des Natrums, des Ammoniums, des Baryts, der Kalkerde und der Magnesie werden in diesem ihren hoch potenzirten Zustande, wenn man eine Gabe einer derselben eingenommen, nicht etwa wie basische Stoffe in rohem Zustande durch einen darauf eingenommenen Tropfen Essig neutralisirt; ihre Arzneikraft wird nicht umgeändert oder vernichtet.
Die so zubereitete Salpetersäure wird in der zum homöopathischen Arznei-Gebrauche dienlichen hohen Potenzirung, in gehöriger Gabe eingenommen, nicht durch ein wenig rohe Kalkerde, oder rohes Natrum nachgegeben, in ihrer starken, bestimmten Arzneiwirkung abgeändert, folglich nicht durch letztere neutralisirt.“
- Fazit: die bei den Ausgangsstoffen möglichen chemischen Veränderungen können nicht zu Bemessung der Haltbarkeit und Stabilität homöopathischer Arzneiprodukte herangezogen werden. Einzig relevanter Parameter ist die Haltbarkeit des Arzneiträgers in der jeweiligen Darreichungsform.
Es bleibt die Empfindlichkeit gegen thermische Einflüsse und Strahlung
Trotz der Resistenz gegen chemische Veränderungen sind homöopathische Arzneipotenzen der Erfahrung nach recht empfindlich gegen Strahlung und hohe Temperaturen. Dies mag vordergründig als Widerspruch erscheinen, kann aber im energetischen Charakter dieser physikalischen Einflüsse begründet liegen.
(Samuel Hahnemann, „Die Chronischen Krankheiten, theoretischer Teil“ S. 160):
„Solche in verstopften Gläschen aufgehobene Arzneikügelchen behalten ihre Arznei-Kraft ganz unvermindert, wenn das Gläschen auch öfters zum Riech-Gebrauch eröffnet würde, viele Jahre lang, wenn sie vor Hitze und Sonnenschein verwahrt bleiben.“
- Fazit: Braunglasfläschchen scheinen sinnvoll; thermische Behandlung oder Bestrahlung kommt aus fachlicher Sicht weder für Ausgangsstoffe noch für die fertigen Arzneiprodukte in Frage.
Carl Classen, VKHD Vorstand
im April 2003